Im Rahmen der Kampagne „One Billion Rising“ werden an diesem Freitag wieder tausende Menschen weltweit für ein Ende der Gewalt gegen Frauen und Mädchen und für Gleichstellung auf die Straße gehen. Aus diesem Anlass wies die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Lisa Gnadl, noch einmal deutlich auf die derzeit schwierige Situation für von Gewalt betroffene Frauen in Hessen hin. „Für Frauen, die in Hessen von Gewalt betroffen sind, ist es derzeit schwer Hilfe zu bekommen. Viele Frauenhäuser haben ihre Kapazitätsgrenzen erreicht und können nicht immer Frauen in Notlagen mehr aufnehmen. Eine medizinische Soforthilfe nach einer Vergewaltigung wird außerdem immer noch nicht flächendeckend angeboten. Das ist für ein Bundesland wie Hessen ein Armutszeugnis! Hier besteht dringender Handlungsbedarf seitens der Landesregierung“, mahnte Gnadl am Donnerstag in Wiesbaden. Laut einer Auskunft des Hessischen Innenministeriums, die wir auf Anfrage erhalten haben, wurden im Jahr 2018 in Hessen 6402 Frauen als Opfer von häuslicher Gewalt offiziell erfasst. „Gewalt gegen Frauen passiert auch hier bei uns in Hessen und wir haben ganz offensichtlich eine Landesregierung, die sich nicht ausreichend für hilfesuchende Frauen einsetzt“, resümierte Gnadl.
Im Jahr 2018 sei in Deutschland das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, die sogenannte Istanbul-Konvention, in Kraft getreten. Die Umsetzung dieser Konvention sei seitdem für alle Länder verpflichtend und auch im Koalitionsvertrag der schwarzgrünen Landesregierung verankert. Trotzdem könne von einer vernünftigen Umsetzung der Konvention in Hessen noch lange keine Rede sein. „Hierfür benötigen wir aus unserer Sicht eine eigenständige Koordinierungsstelle für Monitoring und Evaluation, die unabhängig von der Landeskoordinierungsstelle gegen Häusliche Gewalt eingerichtet werden muss, was wir mit einem entsprechenden Haushaltsantrag auch gefordert haben“, erläutert Gnadl.
Jedoch sei dieser Handlungswillen bei der Landesregierung aus CDU und Grünen nicht einmal im Ansatz erkennbar. Im Haushaltsentwurf für das Jahr 2020 seien keinerlei Mittel für eine Kapazitätserweiterung der Frauenhäuser oder die medizinische Soforthilfe zu finden gewesen. Deshalb habe die SPD-Fraktion Änderungsanträge in die Haushaltsverhandlungen eingebracht – unter anderem für räumliche Investitionen, der damit einhergehenden besseren sachlichen und personellen Ausstattung der Frauenhäuser, die Förderung des Abbaus von Barrieren und die Finanzierung von Gebärdensprachdolmetschern für hör- und sprachbehinderte Frauen zur Unterstützung der Kommunikation im Bereich der Frauenhäuser und -notrufe. „All diese Änderungsanträge wurden von der Fraktion der CDU und auch von der Fraktion der Grünen abgelehnt“, sagte Gnadl.
Dies sei für die SPD-Fraktion völlig unverständlich vor dem Hintergrund der aktuellen Zahlen: Im Jahr 2018 wurden in Hessen 2.798 Frauen wegen Platzmangels von Frauenhäusern abgewiesen, wie aus einer Anfrage der SPD-Fraktion an die Hessische Landesregierung hervorgeht. „Trotz dieser alarmierenden Zahlen und der dringenden Appelle der Sozial- und Wohlfahrtsverbände sowie der SPD, mindestens 300 zusätzliche Familienzimmer in Frauenhäusern in Hessen zu schaffen, findet sich im Entwurf des Landeshaushaltes für das Jahr 2020 kein Haushaltsposten, der auf eine entsprechende Bemühung des Landes hindeuten könnte“, kritisierte Gnadl.